Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juli 2025 eine Entscheidung getroffen, die viele Ehepaare mit gemeinsam finanziertem Eigenheim betrifft.
Der Fall
Ein Ehepaar hatte gemeinsam ein Haus gekauft und über ein Darlehen finanziert. Beide standen zu je 1/2 im Grundbuch.
- Der Ehemann war Alleinverdiener.
- Die Ehefrau führte den Haushalt und betreute die vier gemeinsamen Kinder.
- Der Mann übernahm die Kreditraten (Zins und Tilgung), hier 675 € im Monat.
Von 2016 bis 2019 zahlte der Ehemann insgesamt ca. 24.000 €, davon knapp 18.000 € Tilgung und gut 6.000 € Zinsen. Dann wurde sein Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Insolvenzverwalter erklärte die Anfechtung und verlangte von der Ehefrau Geld – den Anteil der Zahlungen, durch den sich ihr ½- Miteigentumsanteil entschuldet und daher im Wert gesteigert hatte.
- Das Landgericht wies die Klage des Inso-Verwalters in erster Instanz ab.
- Das Oberlandesgericht gab dem Insolvenzverwalter teilweise Recht.
- Der BGH bestätigte diese Entscheidung.
Warum kann der Insolvenzverwalter Geld verlangen?
Im Insolvenzrecht können bestimmte Handlungen des Schuldners angefochten werden. Eine wichtige Vorschrift ist § 134 InsO, die sog. Schenkungsanfechtung:
Unentgeltliche Leistungen, die der Schuldner in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag erbracht hat, können vom Insolvenzverwalter angefochten werden.
Das soll verhindern, dass jemand kurz vor der Insolvenz Vermögen verschenkt, und dadurch seine Gläubiger benachteiligt.
Der BGH sieht in den Tilgungsleistungen des alleinverdienenden Ehemannes eine solche unentgeltliche Leistung:
- Durch die Tilgung wird der Kredit der Eheleute insgesamt reduziert.
- Vermögensaufbau des Partners, Anteil am Haus wird lastenfrei.
- Sie selbst zahlt dafür aber nichts.
Warum sind die Zinsen geschützt, die Tilgung aber nicht?
Hier liegt der Kern der Entscheidung:
1. Zinsen = Familienunterhalt
Die Zinsen (und teilweise auch der Zinsanteil in den Raten) sieht der BGH als Teil des Familienunterhalts:
- Die Familie wohnt im gemeinsamen Haus.
- Die Zinszahlungen sichern den Wohnraum – wirtschaftlich ähnlich wie eine Miete.
- Unterhaltspflichten der Ehegatten sind im Gesetz geregelt (§§ 1360, 1360a BGB).
Unterhalt gehört zur laufenden Lebensführung und ist keine Schenkung. Deswegen sind die Zinszahlungen nicht anfechtbar.
2. Tilgung = Vermögensaufbau
Die Tilgung dagegen führt dazu, dass die Verbindlichkeit sinkt und der Eigentumsanteil des Ehepartners „entschuldet“ wird.
- Unterhalt bedeutet: Sicherung des Lebensbedarfs (z.B. Wohnen, Essen, Kleidung).
- Unterhalt bedeutet nicht: Aufbau von Vermögen für den anderen Ehegatten.
Deshalb sieht der BGH die Tilgungsleistungen als unentgeltliche Vermögenszuwendung – und damit anfechtbar nach § 134 InsO in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag.
Haushalt und Kindererziehung als Gegenleistung?
Viele Ehepaare haben das Agreement: „Er verdient das Geld, ich kümmere mich um Kinder und Haushalt – am Ende gehört uns das Haus gemeinsam.“
Der BGH sieht das unterhaltsrechtlich genauso:
- Die Haushaltsführung und Kinderbetreuung der Ehefrau sind ihr Beitrag zum Familienunterhalt.
Aber: Unterhaltsleistungen gelten nicht als „Gegenleistung“ im Sinne des Anfechtungsrechts, wenn es um den Vermögensaufbau geht.
Mit anderen Worten: Dass ein Ehegatte den Haushalt führt, ändert an der insolvenzrechtlichen Einordnung der Tilgungsleistungen nichts – sie bleiben unentgeltlich. Das kann im Einzelfall sehr hart sein. Der BGH stellt hier aber die Interessen der Gläubiger voran.
Was bedeutet das Urteil für Ehepaare?
- Wer als Ehepartner von der alleinigen Tilgung des Alleinverdieners eines gemeinsamen Darlehens profitiert, riskiert die Anfechtung von Zahlungen
- Das gilt für Tilgungsleistungen in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag
- Zinszahlungen können nach dem BGH nicht zurückgefordert werden.
Das kann für den nicht insolventen Ehegatten ein erhebliches finanzielles Risiko bedeuten – und im schlimmsten Fall das Familienhaus in Gefahr bringen.
Wie können sich Ehepaare schützen?
Das Urteil zeigt, dass man rechtzeitig vorsorgen und gestalten sollte. Vor allem kann eine frühzeitige insolvenzrechtliche Beratung sinnvoll sein, sobald Alleinverdiener wie Unternehmer oder Selbständige wirtschaftliche Schwierigkeiten spüren.
Für Ehepaare mit gemeinsamem Eigenheim und wenn nur ein Partner die Raten trägt, gibt das Urteil Anlass, die eigene Gestaltung zu überprüfen und rechtzeitig zu vorzusorgen.
Warum ist eine Beratung durch einen Spezialisten wichtig?
Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre aktuelle Finanzierungsgestaltung im Falle einer Insolvenz Risiken birgt, stehe ich Ihnen gern für eine individuelle Beratung zur Verfügung.
Wenn Sie von einer Anfechtung betroffen sind oder Fragen zu diesem Thema haben, können Sie sich gerne an mich wenden. Ich unterstütze Sie kompetent und individuell bei allen insolvenzrechtlichen Fragestellungen.
Quelle: BGH, Urteil v. 10. Juli 2025 – IX ZR 108/24.
