Insolvenzanfechtung: BGH entscheidet zu „unlauterem“ Handeln bei Bargeschäften (§ 142 InsO)

Wann sind Zahlungen kurz vor dem Insolvenzantrag durch den Inso-Verwalter nicht anfechtbar, die jemand im Austausch für eine von ihm erbrachte Leistung vom später insolventen Unternehmen erhalten hat?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem für die Praxis der Insolvenz relevanten Urteil v. 05.12.2024 (Az. IX ZR 122/23) Stellung zu dieser Frage bezogen.

Im Grundsatz gilt: Jede Zahlung aus der (späteren) Insolvenzmasse, die in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag (oder später) geleistet wird, wird vom Team des Insolvenzverwalters genau überprüft, ob sie anfechtbar ist. Oft ist sie es. Die §§ 130 und 131 InsO sind die „scharfen Schwerter“ der Verwalter und bisweilen „mähen“ sie alles nieder. Aber nicht jede Anfechtung ist berechtigt! Besonders dann nicht, wenn die Voraussetzungen eines „Bargeschäfts“ vorliegen, das im dem Jahr 2017 deutlich wirtschaftsfreundlicher ausgestaltet wurde, indem ein zweiter Halbsatz angefügt wurde.

Seither gilt: Eine Zahlung des Schuldners, für die er unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

Im aktuellen Fall des BGH hatte ein Bauleiter, dem nach der Eröffnung der Insolvenz die Bezahlung seiner Rechnung in der o.g. „kritischen Zeit“ angefochten wurde, ein Bargeschäft eingewandt und zahlte nicht.

Zu Recht! – Hat nun der BGH entschieden, obwohl im Fall die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vorlagen. Nach früherer Rechtslage hätte der Bauleiter zahlen müssen. Aber da zusätzlich kein „unlauteres“ Verhalten des Schuldners vorlag, wurde die Klage des Verwalters abgewiesen.

Dieses Merkmal erstmals für die Praxis auszuleuchten, ist das Verdienst der aktuellen Entscheidung.

Wer genaueres zur „Unlauterkeit“ (§ 142 I InsO) wissen will:

Eindeutig unlauter i.S.d. § 142 I InsO sind Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienen, wie etwa „Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger“ oder „Abstoßung von notwendigem Betriebsvermögen, um den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen„. Schöne Formulierungen für Jura-Nerds. Umstritten war jedoch, ob auch unterhalb dieser klaren Fälle Schwelle Unlauterkeit vorliegt.

Teilweise wurde vertreten, das seit 2017 neue Tatbestandsmerkmal habe gegenüber der früheren Rechtslage keine sachliche Änderung mit sich gebracht. Andere nehmen Unlauterkeit nur an, wenn der Schuldner hinsichtlich des Benachteiligungsvorsatzes mit direktem Vorsatz (dolus directus) – und nicht nur mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) – handelt. Teils wird Unlauterkeit bejaht, wenn Schuldner und Empfänger wissen, dass die Zahlung zu einer Insolvenzverschleppung führt und dadurch andere Gläubiger Quotennachteile erleiden.

Der BGH jetzt: „Richtigerweise handelt der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung von Bargeschäften handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.

Dies ergibt sich für den BGH aus der Auslegung des Gesetzes. Der Begriff des unlauteren Handelns verlangt eine über den Benachteiligungsvorsatz hinausgehende Bewertung des schuldnerischen Verhaltens. Wie so oft, eine Frage des Einzelfalls, den nun die anfechtenden Verwalter im Prozess genau werden darlegen müssen.

Unlauteres Handeln liegt nicht schon deshalb vor, wenn der Schuldner, der zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderliche Geschäfte tätigt, positiv erkennt, dass die Betriebsfortführung dauerhaft verlustträchtig ist. So war es nämlich nach früherer Rechtsprechung. Der Gesetzgeber (der Änderung 2017) will einer Gesellschaft in der Krise die weitere Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Die Geschäftspartner sind hierzu aber nur bereit, wenn die Leistung des Schuldners anfechtungsfest ist. Daher kommt der bloßen Fortsetzung eines verlustträchtigen Betriebs ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein über eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung hinausgehender Unwertgehalt zu.

Wenn Ihnen das Anfechtungsschreiben eines Insolvenzverwalters ins Haus flattert, lassen Sie sich anwaltlich beraten. Gerne berate und vertrete ich Sie in Auseinandersetzungen mit Insolvenzverwaltern.